Samstag, 29. Mai 2010

Aaaarrrghhh... Werwolf!

"Wenn der Schein des Vollmondes am Freitag die Nacht erhellt, werden manche Männer zum Werwolf...(Luison)", das erzählt die Legende in Paraguay. Einer unserer Kunden berichtete uns von seinem Schwager, den dieses Schicksal immer wieder ereilt, wenn Vollmond auf einen Freitag fällt. Wenn die Sonne sinkt und der Vollmond erscheint, gebärdet sich sein Schwager wie toll: Er läuft auf allen Vieren, beisst wild um sich, knurrt und heult wie ein Wolf und ist nicht mehr ansprechbar. Eine äusserliche Veränderung wie zum Beispiel spontaner Fellwuchs oder plötzliche Reisszahnverlängerung konnte bis jetzt nicht festgestellt werden. Es wächst ihm keine Rute und es entwickeln sich keine Krallen oder gar Pfoten. Nachdem er also einige Zeit seine Familie mit diesem wilden Verhalten terrorisiert hat, reisst er unvermutet alles Bargeld an sich und verschwindet wild heulend auf allen Vieren in der Dunkelheit. Am nächsten Tag kann er sich an nichts erinnern und kann auch den Verbleib des Geldes nicht erklären. Oooohhh, wie gruselig!

JETZT MAL IM ERNST! Mir haben auch schon einige Leute versucht die wildesten Märchen zu erzählen um ihr persönliches Fehlverhalten zu vertuschen, aber wer eine solche Geschichte glaubt muss wirklich hinter dem Mond leben... oder in Paraguay. Ich kann ein wenig nachvollziehen, dass Menschen die von Geburt an mit Legenden wie dem Ao Ao, Pombero und Kurupi permanent konfrontiert wurden und deren Eltern fest an diese Geschichten glaubten auch auf eine solche Scharade hereinfallen.
Was für ein gerissenes Kerlchen. Er benimmt sich an diesem Freitag Abend (ooohhh, was für ein Zufall. Wochenende, Vollmond und Lohn... alles an einem Tag!) einfach für ein Stündchen wie ein Hansel, kann danach ungeschoren die gesamte Kohle mit seinen Kumpels verfeiern und wird am nächsten Tag dafür auch noch von seiner Familie bedauert. Aaaarrgghhh.... ich krich Plaque!

Ich habe ein wenig recherchiert und habe eine Legende gefunden, die ich schamlos für meine Zwecke nutzen könnte....den Kurupi... wenn Pierre nicht des Internets mächtig wäre. Verdammt!


Donnerstag, 27. Mai 2010

Ich hasse Mandioca


Eigentlich bin ich eine begeisterte Köchin. Den ganzen Tag kann ich mit wachsender Begeisterung schälen, schneiden, mischen, kochen, backen, braten und mir immer neue Gerichte einfallen lassen. Selbst die Verstümmelung eines schlachtfrischen Schweines lässt nicht den Hauch eines unmotivierten Gedankens bei mir aufkommen.... bis jetzt! Ich muss zugeben, ich habe meinen Meister gefunden. Die Wurzel des Bösen, das Gemüse des Grauens heisst "Mandioca". In Paraguay wird diese gekochte Katastrophe quasi zu jedem Mahl gereicht. Dieses ist mir völlig unverständlich da der Geschmack und die Konsistenz der Mandioca meinen Gaumen nicht nur beleidigt sondern auch längerfristig kränkt.

Geliefert wird Mandioca grundsätzlich frisch geerntet und da es sich um eine Wurzel handelt ist diese auch Zentimeter dick mit roter Erde verklebt. Nun glaubt der gewitzte Koch dieses Ding einfach schälen zu können... weit gefehlt. Da das Innere weiss ist, würde die rote Erde die Wurzel verschmutzen und sie lässt sich einfach nicht mehr abwaschen (ja wohl, ich habe es versucht, das gibt eine riesen Sauerei!). Also muss das Ganze erst einmal mit viel Wasser und einer Bürste entseucht werden. Nach diesem Arbeitsgang befindet sich die Küche in einem Zustand, dass ein Niederbrennen der Selben als bessere Lösung erscheint als deren Reinigung.

Der zweite Arbeitsgang -das Schälen- hat für mich grosse Ähnlichkeit mit der Mission eines Kamikaze Piloten. Die teilweise baumrindenharte Schale verlangt nach einem kräftigen, rasierklingenscharfen Messer. Die Konsistenz der Schale ist nicht auf der ganzen Wurzel gleich was zur Folge hat, dass der zum schälen Verdammte das Messer beherzt ansetzt, durch die dicke Schale prügelt um dann, wenn die Schale plötzlich und nicht ersichtlich an einer Stelle weicher und dünner wird, hilflos zu beobachten wie sich ein sehr scharfes Messer in hoher Geschwindigkeit auf diverse Körperteile zu bewegt. Auf 5 Kilogramm zu schälenden Mandioca ist mit der völligen Verstümmelung von mindestens einem Daumen und ein oder zwei weiteren Fingern zu rechnen. Ein Mandioca Novize hat noch diverse Stich- und Schnittverletzungen am Oberbauch zu erwarten.

Der dritte Arbeitsgang ist meines Erachtens nach der gefährlichste. Das Zerteilen der harten Wurzel erinnert mehr an Holzhacken als an Küchenarbeit. Nach dem Ansetzen des Messers muss hoher Druck aufgewendet werden um den Mandioca überhaupt dazu zu bewegen dem Messer Einlass in die Oberfläche zu gewähren. Leider bricht sofort danach die Wurzel auf und das Messer jagt ungebremst bis zur Schnittunterlage herunter. Befinden sich diverse Finger zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ist mit deren gesamten oder zumindest teilweisen Verlust zu rechnen.

Im letzten und unspektakulärsten Arbeitsgang wird das Ganze in Salzwasser gekocht und kann serviert werden.

Nun ist es natürlich so, dass ich möglichst versuche die Verarbeitung von Mandioca zu vermeiden, daher bieten wir im Geschäft ein weitreichendes Beilagenmenü an und noch während Pierre die unzähligen Speisen aufzählt wird er meist unterbrochen: "Habt ihr Mandioca?" Ich verdrehe die Augen, ziehe die Bleischürze und die Kettenhandschuhe über, lege die gesamte Küche mit Plastikfolie aus...


Samstag, 15. Mai 2010

Ein Kunde mit Tourrette Syndrom

Schon seit längerem konnten wir einen Mann beobachten, der mehrmals am Tag um unseren Laden schlich und mit grossen Augen zuschaute, wie Pierre Kiloweise Fleisch grillte. Er zeigte immer starkes Interesse, hielt aber stets gebührenden Abstand und kehrte auch nie bei uns ein. Leider bemerkten wir auch, dass unsere Kunden und die Nachbarschaft grossen Abstand zu diesem Mann hielten und ihm im Höchstfalle von weitem einen Gruss zukommen liessen. Wir konnten das alles gar nicht verstehen, der Mann war stets freundlich und auch sehr sympathisch.
Vor einigen Tagen, als kein weiterer Kunde im Laden war, kam der Mann plötzlich zu uns herein und bestellte sich freudestrahlend eine Menge Fleisch und andere Leckereien. Als ich das Essen servierte kam es aufgrund meiner mangelhaften Spanischkenntnisse zu einem höchst unangenehmen Zwischenfall, vor allem für den Kunden:

Er hatte mir wohl im Vorfeld mehrmals gesagt, dass ich ihm kein Messer bringen soll, ich verstand allerdings, dass er auf jeden Fall ein Messer haben wollte. Jeder Kunde bekommt bei uns natürlich ein Messer und da er darauf so vehement bestand, brachte ich ihm ein besonders Scharfes. Ein wirklich grober Fehler! Einige Minuten später kam Pierre gerade noch hinzu, als der Mann begann mit dem Messer auf seine Hand einzustechen. Pierre entriss ihm das Messer und nachdem der Kunde sich beruhigt hatte, klärte er uns über seinen Zustand auf.
Der Mann leidet unter dem Tourette Syndrom. Aufgrund dieser Erkrankung steht er unter dem Zwang sich, wenn er eines Messers habhaft wird, damit zu verletzen. Hier zu Lande ist Tourette völlig unbekannt und unter den Bewohnern gilt dieser Mann einfach als verrückt, gefährlich und von bösen Geistern besessen. Er erzählte uns, dass er immer schon so gerne bei uns essen wollte, er hatte aber Angst, dass er unsere restliche Kundschaft vergrault.

Da Pierre bei der jungendlichen Nachbarschaft sowieso schon die sexuelle Aufklärung übernommen hat und die Jungs sich mit ihren Fragen statt an ihre Eltern an Pierre wenden, wird er jetzt auch noch Botschafter für Tourette. Beim nächsten Bierfest wird er einen kleinen Vortrag halten. Ich bin mal gespannt, ob wir die Nachbarschaft nicht doch mit diesem wirklich netten Mann an einen Tisch bekommen!