Samstag, 26. Juni 2010

FIESTAAAARRRGGGHHHHH....

Zunächst möchte ich wirklich betonen, dass ich jeglicher Feier gegenüber aufgeschlossen bin und mich sehr gerne ins fröhliche Getümmel werfe. Allerdings gefallen mir jene Partys am besten, die nicht bei mir stattfinden und ich einfach verschwinden kann, wenn ich müde werde oder keine Lust mehr haben. Schon der Volksmund sagt: "Man sollte gehen, wenn es am schönsten ist!" Ausserdem ist auch sehr wichtig, dass ich hinterher nicht die Partyzone entseuchen muss.
In Südamerika finden die Menschen immer einen Grund eine spontane Fiesta aus dem Boden zu stampfen und es ist wirklich erstaunlich, wie schnell sich die Menschen hier versammeln, singen, tanzen und ihrem Temperament freien Lauf lassen. Entweder tauchen aus dem Nichts Leute mit Gitarren und Akkordeons auf und es wird paraguayische Polka gespielt oder sie fahren einfach ein Auto vor, in dem eine Anlage eingebaut ist, mit der Pink Floyd das letzte Konzert bestritten hat. Und das Schönste an all dem ist: KEIN NACHBAR BESCHWERT SICH!

Ich habe diese Fiestas bis jetzt wirklich genossen, allerdings hat sich seit einigen Wochen das Blatt für mich gewendet.

Es beginnt nun jeden Samstag zwischen 12 und 13 Uhr. Ganz friedlich sitzen einige Gäste in und vor unserem Lokal und geniessen Speisen und Getränke während sich im Hintergrund, erst ganz unauffällig und später doch deutlich sichtbar, kleine Menschengruppen bilden. Dieses Szenario erinnert mich ein wenig an Hitchcocks Meisterwerk "Die Vögel". Zu diesem Zeitpunkt beginne ich fieberhaft mit der Herstellung von Unmengen Fingerfood und Pierre fährt meistens noch einmal los um den Biervorrat aufzustocken. (Gestern wurden 70 Liter und heute bis jetzt 90 Liter Bier konsumiert.... und jetzt gerade ist es erst 22:50 Uhr).
Um ca. 14:00 Uhr beginnen die Leute die Tische zu besetzen und jeder der vorbei kommt kennt irgendeinen unserer Gäste und bleibt auch einfach direkt bei uns. Im Moment trinken, singen und tanzen die Leute hier, Männer liegen sich in den Armen, die Frauen wurden schon vor einer Stunde mit den Kindern nach Hause geschickt, seit ca. 30 Minuten verschlingen die Biertrinker mein Fingerfood zu horenden Preisen und alle haben sich ganz doll lieb. Ich denke zwischen 2 und 3 Uhr morgens werden auch die Letzten gehen.....

Das Problem ist nur: HIER SIEHT ES AUS, ALS HÄTTE EINE BOMBE EINGESCHLAGEN!
Morgen früh um 7 Uhr wird der Wecker für uns klingeln, weil unsere Kühe und Pferde keinerlei Verständnis für unsere nächtlichen Aktivitäten aufbringen. Danach werde ich versuchen den Laden wieder halbwegs betretbar zu machen.

Und eine Frage habe ich noch: Müssen die beim Tanzen so schreien? Yeeehaaaayayayayyyyyy......


Donnerstag, 24. Juni 2010

Alles Verbrecher!

Mein Hase und sein Busenfreund Alfredo (siehe mein Beitrag "Alfredo") brachen heute morgen bei Sonnenaufgang auf um einem Schaf den garaus zu machen. Verhandelt wurde die Transaktion von Alfredo mit dem Vorarbeiter des Schafzüchters. Ein wirklich lohnendes Geschäft .... wäre es gewesen. Hier die Geschichte:

Pierre und Alfredo erreichten den Ort des Geschehens zur verabredeten Zeit und wieder Erwarten war auch schon der Vorarbeiter des Unternehmens zugegen. Nach einer Menge Dummgeschwafel... entschuldigung.... Smalltalk wurde aus der Heerde einer der Wollproduzenten erwählt, welcher den Herrn zum Opfer fallen sollte. Leider war der Vorarbeiter noch ein wenig von seiner nächtlichen Alkoholorgie geschwächt, so brauchte er 45 Minuten um das Schaf einzufangen. Dies wurde ihm leider zum Verhängnis, denn als Pierre gerade seine Pistole zog um dem flauschigen Gesellen das Leben zu nehmen drang eine fremde Stimme an sein Ohr:

Stimme: "Hallo? Was machen sie denn da?"
Pierre: "Ich erschiesse das Schaf!"
Stimme: "Aber das ist mein Schaf! Sollten wir nicht erst darüber sprechen?"

Als Pierre in die Runde blickte sah er einen dreifach schwer bewaffneten, fremden Mann, einen völlig verwirrten Alfredo und einen äusserst nervösen Vorarbeiter der sofort begann sich zu rechtfertigen:

Vorarbeiter: "Ich habe das Schaf verkauft und hätte natürlich das Geld gleich zu ihnen gebracht, Chef!"
Stimme (Chef): "Du hast genau 30 Minuten deine Sachen zu packen und mein Land zu verlassen!"

Ohne weitere Diskussion rannte der Vorarbeiter zu seiner Hütte und sammelte seine Habseligkeiten zusammen, während Pierre und Alfredo, immer noch total verwirrt, dort stehen blieben wo sie gerade waren (hier herrscht immerhin noch das Recht Leute zu erschiessen die unerlaubt privates Land betreten. Eine Flucht verbessert die Situation nicht). Den Beiden drängte sich der Verdacht auf, dass hier etwas nicht stimmt. Nachdem der Ex-Vorarbeiter mit seinen Taschen die Hütte verliess, jagte ihn der Chef mit seinem Pickup von seinem Besitz und lenkte danach wieder seine Aufmerksamkeit auf Pierre und Alfredo, allerdings jetzt mit einer Pumpgun im Arm:

Chef: "Wir sollten reden, bevor ihr auf meinem Grund und Boden eines meiner Tiere schlachtet. Ich könnte euch jetzt erschiessen, das ist für mich aber unangenehm. Also bitte verlasst meinen Besitz und wie reden morgen über den Preis des Schafes."

Und wieder eröffnet Paraguay einen perfekten Moment für eine spontane und ungewollte Darmentleerung. Davon haben wir schon mehrere erlebt. Ich denke aber, wir sind einfach verwöhnte Europäer für die alles dermassen reglementiert war, dass wir mit einem Land, das quasi Wild West Gesetze hat, schwer umgehen können. Wir werden es aber noch lernen, denn genau DAS haben wir eigentlich gesucht! Yeeehhhaaaaa.....

Nichts desto trotz gehe ich morgen mal in den Waffenladen und guck mir die Pumpguns an. Die sind wirklich.... äääähhhh.... cool!


Montag, 21. Juni 2010

Brrrrr..... kalt!

Immer wieder finde ich im Internet angebotene Bücher für Auswanderer, die Paraguay als Ziel ihrer Träume ins Auge gefasst haben. Mir ist aber völlig unverständlich warum ich in den Leseproben Sätze wie: "In Paraguay fallen keinerlei Heizkosten an. Es ist ganzjährig warm" finde. Hierzu kann ich nur berichten, dass die Temperatur sich momentan um die 11°C bewegt und gepaart mit einem kräftigen Südwind und einer hohen Luftfeuchtigkeit den Drang auslöst, den halben Inhalt des Kleiderschranks anzuziehen. Zusammen mit einer dicken Pudelmütze ist es möglich das Zittern nach und nach wieder einzustellen. Der Paraguayer trägt zu diesem Zeitpunkt den Inhalt seines gesamten Kleiderschranks und mehrere Mützen.
Als Europäer haben wir natürlich ein ganz anderes Temperaturempfinden und die Unterschiede zeigen sich im Laufe des Jahres ganz deutlich:

10 - 15°C

Der Europäer friert, macht zu Hause die Heizung an und zieht die Wollsocken über.
Der Paraguayer zieht seine gesamte Kleidung an und entzündet mitten im Haus ein Kohlefeuer.

16 - 20°C

Der Europäer trägt sein Übergangsjäckchen und erfreut sich am Frühlingswetter.
Der Paraguayer entledigt sich einer Schicht Kleidung und feuert im Haus noch einmal nach.

21 - 25°C

Der Europäer bügelt seine Shorts und hat beim Autofahren alle Fenster auf.
Der Paraguayer trägt nur noch seine Winterkleidung, hat aber schon die Mütze abgelegt.

26 - 30°C

Der Europäer trägt Shorts, T-Shirt und Flip Flops.
Der Paraguayer beschränkt sich auf eine lange Hose und ein längärmeliges Oberteil.

31 - 35°C

Der Europäer hat beim Autofahren alle Fenster geschlossen und die Klimaanlage läuft auf Hochtouren.
Der Paraguayer trägt Shorts, T-Shirt und Flip Flops und gräbt pfeifend in der Mittagssonne ca. 1ha seines Ackers um. Dabei trägt er allerdings einen Strohhut.

36 - 45°C

Der Europäer liegt nackt und röchelnd unter seiner Klimaanlage und wartet auf den Herbst.
Der Paraguayer findet das Wetter einfach schön.


Samstag, 19. Juni 2010

Alfredo

In Deutschland hatte mein Hase seit seiner Kindheit seinen allerallerallerbesten Freund den er, seit wir hier sind, sehr vermisst. Aus Ermangelung einer Männerfreundschaft hat er sich grösstenteils mit mir oder unserem kleinen Privatzoo beschäftigt. Hunde-Wrestling, Kühe zureiten, Pferde ärgern, Stierkampf.... er wusste sich eigentlich immer zu beschäftigen.
Jetzt ist vor einigen Wochen ES passiert. Die ganze Geschichte begann im Grunde äusserst unangenehm. Pierre lernte jemanden kennen... Alfredo, der ihm ein Schwein verkaufen wollte. Das Schwein war relativ teuer, wir brauchten das Fleisch aber dringend und da der Mann nicht mit handeln liess stimmte Pierre dem Preis schliesslich zu. Später stellte sich heraus, dass das Schwein gar nicht Alfredo gehörte und er den Verkaufspreis einfach kräftig erhöht hatte, um für sich auch eine dicke Scheibe abzuschneiden. Zu seinem Leidwesen ging sein Plan nicht auf, Pierre bezahlte das Schwein bei dem rechtmässigen Besitzer und Alfredo ging quasi leer aus. Etwa eine Woche später erschien das kleine Schlitzohr in unserem Laden und wollte uns wieder ein Schwein verkaufen. Pierre nannte ihn einen Betrüger, es kam zu Handgreiflichkeiten und wie Männer so sind endete das ganze in grossen Wetttrinken mit der halben Nachbarschaft.
Seit diesem denkwürdigen Tag sind Pierre und Alfredo unzertrennlich. Sie machen all diese tollen Männersachen zusammen für die wir doofen Frauen kein Verständnis haben. Hier einige Beispiele:

  • Jeep Wettfahren im kniehohen Schlamm
  • wildes Wettschiessen auf in die Luft geworfene Münzen (die haben noch nie getroffen!)
  • Schweine rasieren
  • Nach dem Jesuitenschatz graben und dabei betrunken zusammen in das Loch fallen
  • Hühner freilassen und danach wieder einfangen
  • auf Guarani blöde Witze über Frauen machen, damit ich es nicht verstehe
  • grosse Pläne schmieden um die Weltherrschaft an sich zu reissen

Das ist nur ein kleiner Auszug der herrschaftlichen Aktivitäten. Ich gönne meinem Hasen diese Freundschaft auch von Herzen, das Problem das ich jetzt habe ist, dass Alfredo nur im Morgengrauen ein paar Schweine schlachtet und danach den ganzen Tag frei hat. Diese Zeit verbringt unser Maskottchen bei uns im Laden. Er hat sich zu einem lebenden Inventar entwickelt, wuselt den ganzen Tag im Laden herum und geht mir furchtbar auf die Nerven. Jetzt gerade steht er hinter mir und fragt mich, was ich denn da mache. Ausserdem hat er seinen Namen gelesen.... so ein Stress!

Aber.....

Meine kleine, persönliche Nervensäge hat bei mir auch einen dicken Stein im Brett. Er schält Mandioca wie ein Weltmeister (siehe mein Beitrag "Ich hasse Mandioca") Alfredo säubert, schält und zerkleinert 10kg Mandioca in nur 30 Minuten.

Alfredo.... ich liebe dich!

In Paraguay ist es anders.

Uns war ja schon von Beginn an klar, dass viele Dinge in diesem Land sehr von dem uns Bekannten differieren würden, die Paraguayer und paraguayische Gepflogenheiten schaffen es aber wirklich immer wieder uns ein Lächeln zu entlocken oder gar schwere Kopfschüttelattacken auszulösen. Hier präsentiere ich eine kleine Sammlung unserer Erfahrungsbereicherungen:

  • Frauen mit kurzen Haaren gelten als defekte, wertgeminderte Ware
  • Mädchen, die mit 16 nicht mindestens ein Kind zur Welt gebracht haben, sind keine vollwertige Menschen. Das sind Frauen hier im allgemeinen eh' nicht, aber der Wert der kinderlosen Dame sinkt um weitere fünf Punkte. Eine frühe Mutterschaft tangiert die Mädchen auch recht wenig, da die sabbernden Bündel in 80% der Fälle sowieso bei der Grossmutter abgeliefert werden. Sollte das Mädchen den Kindsvater wirklich kennen, wird die Frucht seiner Lenden gerne auch ihm vor die Türe gelegt. Einer unserer Nachbarn ist auf diese weise bereits achtfacher Vater, dass zwei dieser Kinder hellblond sind, kann er sich auch nicht wirklich erklären.
  • In Europa ist es ein Teil der guten Erziehung bei der Begrüssung einer anwesenden Dame zuerst die Hand zu geben.... sollte ein Mann dies hier wagen, gibt's direkt eine auf's Gesicht! Aus dem selben Grund werden Frauen hier im allgemeinen nicht gegrüsst, es sei denn man kennt sich sehr gut. Sollte eine unbekannte Frau Eigeninitiative entwickeln und als Erste grüssen, signalisiert sie damit unbegrenzte Paarungsbereitschaft.
  • In Paraguay findet der aufmerksame Beobachter auf den Fahrzeugen mit den lustigen, bunten Lampen auf dem Dach eine Zahl: 911. Bei unserer Ankunft hier unterlagen wir noch dem Irrtum dies sei eine Notruf-Nummer... weit gefehlt. Dem Anrufer dieser Nummer ist durchaus die Möglichkeit gegeben dem Herrn oder der Dame am anderen Ende der Leitung seine Geschichte zu erzählen, dies hat aber keinerlei weitere Konsequenzen. Die Polizei kommt nicht, wenn sie keine Lust hat. In diesem Land haben die Bewohner keinerlei Anspruch auf den Service dieser Institution. Vor einigen Tagen wütete ein Betrunkener mit seiner Machete durch die Nachbarschaft, bedrohte die Menschen und schlug Scheiben ein. Trotz mehrfacher Anrufe verschiedener Nachbarn liess sich keiner der uniformierten Bierfriedhöfe hier blicken. Der Betrunkene wurde dann in einem Akt von Selbstjustiz durch die vereinigte Nachbarschaft niedergestreckt.
  • Hunde sind nicht sehr beliebt in Paraguay und werden meist auch nicht wie ein Lebewesen behandelt. Das durchschnittliche Flohtaxi reagiert hier auf drei eindeutige Zeichen mit sofortiger Flucht, allerdings haben unsere Hunde das sooo nie gelernt. Wenn also unser 55kg Labrador Monsterköter namens Scooby Doo auf einen Paraguayer zum Zwecke des "gestreichelt werdens" zustürmt, wendet dieser verängstigt folgende Techniken an:

1. Das Quitsch-Geräusch, das durch das Einsaugen von Luft durch gespitzte Lippen entsteht.

Dieses Geräusch ist äusserst animierend für unseren Scooby. Wir locken unsere Hunde immer mit diesem Geräusch, wenn deren Malzeit angerichtet ist. Dieser Umstand hat für unseren Paraguayer natürlich für ihn unvorhergesehene Auswirkungen. Scooby läuft nicht nur noch schneller auf die Person zu, er beginnt auch noch freudig zu bellen. Ein ganz hervorragender Moment für eine spontane und unkontrollierte Darmentleerung.

2. Das Drohen mit einem Besen.
Pierre liebt es mit dem dicken Hund auf der Wiese zu toben und dabei spielen die Beiden oft mit einem alten Besen, den ich ausrangiert habe. Ziel des Spiels ist es, des Besens habhaft zu werden und ihn mir zu bringen. Leider bringt mir Scooby nicht nur meinen alten Besen, er hat mir mittlerweile schon drei Besen gebracht, die mir völlig unbekannt sind.

3. Das Aufheben und Werfen eines Steins.
Diese Methode bedarf eigentlich keiner weiteren Erläuterung. Ganz abgesehen davon, dass Scoobys Drang jegliche Dinge zu apportieren sehr ausgeprägt ist, müsste er schon mit Obelix' Hinkelstein beworfen werden, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.