Samstag, 27. Dezember 2014

Feliz Navidad oder "Wie Paraguay Weihnachten gestohlen hat"

34°C, die Sonne brennt vom strahlend blauen Himmel und die hohe Luftfeuchtigkeit verursacht ein leicht klebriges Gefühl auf der Haut... es ist Weihnachten und ich bin in Paraguay.
Wie jedes Jahr habe ich es bis jetzt nicht geschafft auch nur einen Funken Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen und wie jedes Jahr starte ich tapfer meine CD mit den klischeehaftesten Weihnachtsliedern, die ich finden konnte. Ich beginne mit den Vorbereitungen der Festlichkeiten und während sich tellergrosse Schweissflecken unter meinen Armen bilden, trällert Bing Cosby von einer weissen Weihnacht. Nach einer Stunde mit Liedern über Schlittenfahrten, Schneemänner, kuscheligen Stunden vor dem Kamin und einem bedeutungsvollen "Ernsthaft???" von Pierre, beschliesse ich dem akustischen Albtraum ein Ende zu setzen.

Es ist kurz nach Mittag und das halbe Dorf scheint auf den Beinen zu sein. Alte, klapprige Pickups mit gestapelten Stühlen und gestapelten Familienmitgliedern auf den Ladeflächen passieren unser Grundstück. Die Menschen sind fröhlich und in Feierstimmung. Für den Ruhe und Frieden suchenden Auswanderer sind das ganz schlechte Nachrichten, denn der Paraguayer feiert laut und ausgiebig. Es sind bereits die ersten Soundchecks aus verschiedenen Richtungen zu vernehmen. Paraguayischer Kachaka, Harfen- und Akkordeon Musik mischt sich, je nach Standort des unfreiwillig Beschallten, zu einer riesen Kakophonie und ich überlege sogar kurz, ob ich Bing Cosby nicht doch noch eine Chance geben soll...

Es ist später Nachmittag und ich habe es doch noch geschafft ein wenig zu dekorieren. Eine Agave muss als Weihnachtsbaum herhalten, um einige Palmen habe ich glitzernde Girlanden gewickelt und nach einer Stunde "Entknotungsarbeit", hängt auch unsere Lichterkette am Haus. Es herrscht totale Windstille, es ist heiss wie in einem Backofen und ich habe keine Ahnung, was ich noch ausziehen soll, ohne, dass die Nachbarn erblinden. Schwitzend hoffe ich auf baldigen Sonnenuntergang und mache eine grosse Schüssel Kartoffelsalat.

Es ist früher Abend. Es ist etwas abgekühlt und die Paraguayer heizen ihre Grills an. Die Musik dröhnt aus vielen Richtungen und die Menschen tanzen, singen und ihre langgezogenen Freudenschreie hört man durch das ganze Dorf. Kaum ist das erste Grillfleisch fertig, beginnt eine gross angelegte Lebensmittelrotation. Nach und nach kommen die Nachbarn vorbei und bringen Grillfleisch, Mandioca und Sopa und holen sich dafür Kartoffelsalat, Würstchen oder was es sonst noch so bei uns gibt. Nach zwei Stunden ist der Spuk vorbei und zurück bleibt eine Menge kaltes Grillfleisch und ein kleiner Berg Sopa.... ich hasse Sopa. Die Musik dröhnt immer noch aus verschiedenen Richtungen, alle Hunde des Dorfes bellen gemeinsam, die Nachbarn zünden einen Böller nach dem Anderen und meine besinnliche Weihnacht kann ich mir in die Haare schmieren. Genervt gehe ich früh ins Bett. Unsanft aus dem Schlaf gerissen werde ich allerdings noch einmal um Mitternacht, als die Nachbarn ihr Feuerwerk starten. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir allerdings, dass dieses Feuerwerk nicht schön, sondern nur laut ist.

Am nächsten Morgen werde ich durch nur allzu bekannte Klänge geweckt... es ist 6 Uhr und die Feierlichkeiten sind immer noch in vollem Gange. Die Musik dröhnt, über Nacht ist unsere Lichterkette (ein chinesisches Qualitätsprodukt) durchgebrannt, im paraguayischen Fernsehen hüpfen pralle Latinas in Weihnachtsstrapsen herum und wie jedes Jahr muss ich einsehen, dass Weihnachten nie mehr so sein wird, wie es mal war. Pierre ist das alles völlig egal. Hauptsache, es gibt was Leckeres zu essen.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Immer wenn es regnet...

Es regnet... nein,es schüttet, donnert, blitzt und stürmt und das nun schon seit vielen Stunden. Unfassbare Wassermengen gehen nieder und hier kann es scheinbar nie einfach nur regnen, es muss immer ein ausgewachsenes Unwetter daraus werden.

Unser Grundstück hat ein Gefälle und so strömt das Wasser in zwei reissenden Bächen durch unseren Vorgarten um dann die Grundstücke und Häuser der tiefer gelegenen Nachbarn in einen grossflächigen See zu verwandeln. Der Hausbau auf einer Anhöhe ist daher eine weise Entscheidung.
Unsere Terrasse hat kein Gefälle und kurz nachdem die Drainagen mit Laub verstopft sind, erfreuen wir uns eines 80 qm Schlammbades direkt vor der Haustür. Im Haus zeigen sich neue, undichte Stellen an den Fenstern, das Wasser fliesst in kleinen Rinnsalen am Kamin herunter (siehe: Pierre baut einen Kamin) und hin und wieder schwappt eine Welle Mottwasser unter der Haustür durch. In der Küche tropft es durch die Decke, es scheinen ein paar Schindeln verrutscht zu sein und wenn das so weiter geht, erfüllt sich wohl doch noch der Traum vom Indoor-Pool mit Gegenschwimmanlage und Wasserfall. Noch vor ein paar Jahren hätten wir uns furchtbar darüber aufgeregt, jetzt finden wir das alles sogar ein bisschen amüsant. Es handelt sich hier nur um Wasser und es ist nun nicht so, als würden unsere Perserteppiche ruiniert. 

Auf dem Lande steht das Leben bei Regen quasi still. Selbst die Wenigen, die ein Auto besitzen, ersparen sich die Rutschpartien auf den nassen, seifigen Erdstrassen. In den Senken sammelt sich das Wasser und macht viele Wege für einen normalen PKW unpassierbar, auch noch lange Zeit nach dem Regen. Nur die wirklich Furchtlosen, Betrunkenen oder Bekloppten wagen sich bei einem solchen Wetter mit dem Moped auf die glitschigen Wege. Und so ergibt es sich, dass der Eine oder Andere nicht zur Arbeit erscheint, Termine nicht eingehalten werden, Kinder nicht in die Schule gehen, Lieferungen nicht eintreffen und auf Kunden wartet man vergeblich. Es gilt: Je ländlicher die Gegend, desto abenteuerlicher die Wege!

Es hat aufgehört zu regnen, die Sonne blinzelt durch die Wolken und die Vögel zwitschern wieder. Jetzt reparieren wir erst einmal das Leck in der Decke und graben uns eine Bresche über die schlammige Terrasse. Wir brauchen bestimmt zwei Tage um die Veranda zu säubern und in drei Tagen regnet es wieder... vielleicht trinken wir auch erst mal einen Kaffee.

Sonntag, 14. Dezember 2014

Paraguayer können alles

Unser Rasenmäher hat das Zeitliche gesegnet. Er wurde von einem rabiaten Landarbeiter massakriert, der den sensiblen Charakter und die fragile Bauweise dieses stümperhaft gefertigten, brasilianischen Produktes nicht verstanden hat. Wir wissen immer noch nicht, wie er es geschafft hat, aber er hat das Ding mühelos in drei Teile zerlegt. Das benötigte Ersatzteil kostet fast soviel wie der gesamte Rasenmäher, also machte sich Pierre auf die Suche nach Jemandem, der das defekte Teil reparieren kann.
Was wir zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wussten... ein Paraguayer kann ALLES!... sagt er zumindest. So begab es sich, dass geradewegs der erste Bekannte namens Franco, den Pierre dazu befragte, behauptete ein grandioser Rasenmäherreparierer zu sein und so brachte Pierre ihm den defekten Patienten.

Das war 2010 und ich habe unseren Mäher seither nicht mehr zu Gesicht bekommen. Wir haben uns schon vor Jahren eine Motorsense gekauft und so macht Pierre sich einen Spass daraus, alle paar Monate unseren Rasenmäher zu besuchen und sich über den weltbesten Rasenmäherreparaturmann lustig zu machen. Die Beiden trinken eine Mate zusammen, Franco fleht, dass Pierre endlich das doofe Ding mit nach Hause nimmt und Pierre weigert sich standhaft und verlangt weiterhin die versprochene Reparatur. Die Zwei sind mittlerweile ganz gute Freunde, dem Rasenmäher hat's aber nicht geholfen.

Hier muss man sich sehr genau überlegen und auch informieren, wen man welche Tätigkeit ausführen lässt. Es ist unfassbar, welche Arbeiten hier zum teil abgeliefert werden und einen Schadensersatz oder eine Garantie, die auch eingehalten wird, kann man von vornherein ausschliessen. Das gilt auch für den Hausbau, Auto- und Motorrad Reparaturen, Poolbau, Installationen... eigentlich bei Allem! Selbst in manchen Krankenhäusern kann man nicht so sicher sein, wer da an einem rumschnippelt.

Nun sollte man denken, wir haben unsere Lektionen gelernt und wüssten, was wir hier tun. MITNICHTEN! Unsere Verlustliste (Rasenmäher, Hochdruckreiniger, elektrische Kochplatte, Heisswassergerät und elektrischer Kantenschneider) wurde vor vier Wochen noch um eine Brunnenpumpe ergänzt.


Dienstag, 9. Dezember 2014

Strom oder nicht Strom...

Die gesamte Stromversorgung Paraguays wird ausschliesslich durch Wasserkraft erzeugt (Itaipu). Der nationale Stromanbieter ist die "Ande". Allerdings bietet diese den Strom nur an, sie hat keinen Versorgungsauftrag wie den, auf den der verwöhnte Europäer beharrt und so kann man dankbar sein, wenn im Haus die Lampen leuchten. Es gibt im Lande immer noch sehr viele Menschen, die keinen Stromanschluss haben. Entweder, weil sie sich keinen leisten können, weil sie weit ausserhalb wohnen und bis dort einfach noch keine Leitungen verlegt wurden, oder, weil sie keinen Strom brauchen.

Ausserhalb von Ortschaften ist auch oft nur Einphasen-Strom vorhanden. Es ist möglich auf Dreiphasen-Strom aufzurüsten, dies muss der Verbraucher aber selber zahlen. Unser Haus verfügte nur über eine Phase, die Zweite und Dritte haben wir uns legen lassen. Die zusätzlichen Kabel wurden auch recht zügig verlegt und wir zahlten auch recht zügig Gs 3.000.000. Das passierte 2009 und wir sind seitdem stolze Besitzer einer toten Phase und eines defekten Stromzählers. Hin und wieder schickt die Ande eine Abrechnung mit einem geschätzten Stromverbrauch und einer gewürfelten Rechnungssumme, ab und zu kommt jemand vorbei und sagt ganz überrascht: "...der Zähler ist ja kaputt, ich mache einen Vermerk zum Austausch" und zuweilen verspricht auch jemand sich um die tote Leitung zu kümmern. In Paraguay muss man geduldig sein, den tobenden Choleriker rafft ruck zuck ein Herzinfarkt dahin.

Nun bedeutet eine Dreiphasen-Leitung, eine korrekte und hochwertige Verkabelung und eine bezahlte Ande-Rechnung noch lange nicht, dass der Hausherr dauerhaft über Strom verfügt. Derselbe fällt hier nämlich erschreckend oft aus. Leider bestreiten wir unser Einkommen mithilfe von Temperatur-sensitiven Gerätschaften... Brutmaschinen... und so ist ein unvorhergesehener Stromausfall für uns ein unangenehmer Umstand. Die Tatsache, dass ein solcher Ausfall zwischen 3 Sekunden und 3 Tagen anhalten kann, erleichtert die nun folgenden Überlegungen nicht:

  • was ist mit den Brutmaschinen?
  • wann fangen wir an die gesamten Lebensmittel im Kühlschrank zu essen?
  • wie lange hält der Gefrierschrank durch und was machen wir mit dessen Inhalt?
  • haben wir noch Kerzen?
  • wie lange reicht das Wasser?
  • wo sind die Taschenlampen und warum sind die Akkus nicht aufgeladen?

Nach zwei Jahren mit enormen Brutverlusten (vor allem im Winter) und spontanen Verteilaktionen von halb gefrorenen Lebensmitteln (vor allem im Sommer) haben wir uns "Heinrich" angeschafft. Heinrich ist ein Benzin-betriebener Strom-Generator mit 13 PS, einer Leistung von 5.5 KW und einem ziemlich eigenwilligen Charakter. Es bedarf eines bestimmten Rituals, damit Heinrich einwandfrei anspringt, aber wenn er läuft, dann läuft er. Aufs Moto-Cargo gepackt ist er auch mobil einsetzbar und die Despensas freuen sich, wenn Pierre nach vielen Stunden ohne Elektrizität vorbei kommt und die Kühlungen mit Strom versorgt. Hätten wir noch einmal die Wahl, würden wir uns allerdings ein hochwertigeres Gerät aus Deutschland mitbringen. 

Gründe für Stromausfälle gibt es viele... Blitzschlag, Sturm, umgestürzte Masten, explodierte Transformatoren, Überbelastung des Netzes, fehlende Ersatzteile oder Wartungsarbeiten. Eigentlich liefern die Mitarbeiter der Ande eine gute Arbeit ab und in den letzten Jahren ist die Versorgung auch stabiler geworden. Eines sollte man dabei nicht vergessen: die Stromversorgung in diesem Land ist kein Recht, sondern ein Privileg!

Nun ist es so, dass die Ande auch recht flexibel in der Leistung ist, die sie liefert. Zwischen "die Glühbirnen glimmen noch ein bisschen, aber der Kühlschrank ist aus" und "das Netzteil ist geschmolzen und der Fernseher brennt" ist alles möglich. Allerdings kann die Ande auch genau nachvollziehen, was sie wann verbrochen hat und so kann man sich Elektrogeräte, die bei einer Überspannung das Zeitliche gesegnet haben, zumindest Teilweise ersetzen lassen. 

Wir sind dankbar, dass wir die meiste Zeit über Elektrizität verfügen, die stromlose Zeit hat uns gezeigt, wie beschwerlich viele Dinge werden und wie verwöhnt wir im Grunde sind. 

Montag, 8. Dezember 2014

Der Colectivo - ein knallbuntes Abenteuer

Ich mache es nicht gerne, ich mache es nicht oft, aber manchmal komme ich einfach nicht drumherum: eine Fahrt mit dem Colectivo. Der Colectivo ist ein Fahrzeug für den öffentlichen Personennahverkehr in Paraguay... also der Bus. Je ländlicher die Gegend, desto spannender die Fahrt. 

Das Eintreffen des Colectivo kündigt sich meist schon einige Zeit im Voraus an. Das Brüllen des seit Jahrzehnten geschundenen Motors, unterbrochen vom Krachen des Getriebes ist schon von weitem zu hören. Eigentlich ist der farbenfrohe Bus hübsch anzusehen, doch beim Näherkommen fallen dem Fahrgast einige Details ins Auge. Die mit Draht befestigte Stossstange schaukelt hin und her und schafft es fast von den profilfreien und rissigen Reifen abzulenken, die zusätzlich auch noch ein bisschen eiern. Durch die Windschutzscheibe, verziert mit einem ordentlichen Steinschlag und von Heiligenfiguren, Aufklebern und diversen Schildern gerahmt, ist der Fahrer kaum noch zu sehen. 
Der Paraguayer ist Kummer gewohnt und so besteigen alle fröhlich den Bus. Leicht nervös folge ich, bezahle mein Ticket und begebe mich zum hinteren Teil des Gefährts. Es sind geschätzte 50°C, die Luft ist stickig und es riecht nach Diesel und Käse. Schwitzend lasse ich mich auf eine freie Bank fallen, die mich sehr an einen Klappstuhl erinnert und irgendwas in dem Sitz bohrt sich in meinen Hintern. Der Fahrer gibt Gas und ächzend, umgeben von einer schwarzen Qualmwolke, setzt sich der Colectivo in Bewegung. Von nun an hat der Fahrer alle Hände voll zu tun den Bus zu fahren, seinen Becher Mate zu trinken, SMSen zu schreiben und auch noch mit einem Fahrgast die letzten Neuigkeiten auszutauschen. 
Die nächste Haltestelle kommt recht bald und so beginnt der Busfahrer frühzeitig ein wenig Druck auf die Bremse zu pumpen, damit er auch innerhalb der verbleibenden 500 Meter zum stehen kommt. Hier steigen eine Chipa-Verkäuferin und ein Gitarrenspieler zu. Zufrieden mampfe ich meine Chipa und lausche den Klängen paraguayischer Folklore. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass ich von der mittlerweile erreichten Geschwindigkeit von 120 km/H und dem damit verbundenen Scheppern, Rappeln und Quietschen abgelenkt bin. Auch, wenn der alte Bus an die Grenzen seiner Belastbarkeit stösst, muss der Fahrer diese Geschwindigkeit erreichen, denn von jetzt an geht es bergauf und wir würden sonst niemals den nächsten Hügel bezwingen. Auf den letzten Metern der Steigung kommen wir kaum noch vorwärts. Der Fahrer flucht leise vor sich hin und unter den Passagieren macht sich eine angespannte Stimmung breit. Jeder, der öfter Colectivo fährt, musste schon einmal den Bus mit anschieben, beim Reifenwechsel helfen oder in glühender Hitze auf ein Ersatzfahrzeug warten. Eingehüllt in einer schwarzen Wolke schafft es der Bus dann doch über den Hügel und den Rest der Fahrt konzentriere ich mich auf einen Riss im Boden, durch den ich die Strasse sehen kann. Noch während ich versuche zu erkennen, ob die Spalte grösser wird, haben wir mein Ziel erreicht und ich bin froh, dass ich aussteigen kann. Auch das mulmige Gefühl im Magen lässt langsam nach.... wenn da nicht die Rückfahrt wäre! Aber was wäre das Leben ohne kleine Abenteuer?


Freitag, 5. Dezember 2014

"Tunga penetrans" oder auch "Sandfloh"

Obwohl immer wieder davor gewarnt wird und ich auch genau weiss, was ich zu erwarten habe, zelebriere ich es dauerhaft:  Ich trage Flip Flops! 9 Monate im Jahr bin ich quasi Fuss-Nudist. Sobald es das Wetter zulässt, entledige ich mich des normalen Schuhwerks und liefere meine Füsse der freien Natur aus. Darauf hat ein winzig-kleines Tierchen nur gewartet....

Der "Tunga penetrans" oder auch Sandfloh. Der nur 0,5 cm grosse, weibliche Sandfloh hat nur ein Ziel: Er will in meinem Fuss wohnen, bevorzugt in einem Apartment unter einem Zehennagel. So hockt der miese Parasit in sandigem Boden und wartet geduldig auf sein Opfer. Ist das Ziel seiner Begierde nah genug, entert er dasselbe und bohrt sich unverzüglich ein Loch in den zukünftigen Ernährer. Völlig unbemerkt richtet sich der kleine Blutsauger ein kuscheliges Heim ein, um in aller Ruhe mehrere tausend Eier zu produzieren und diese nach 10 Tagen abzuwerfen... so zumindest der Plan des schamlosen Schnorrers. Durchkreuzt wird sein Vorhaben meist erst nach 6-7 Tagen...

  • 2.-3. Tag: der bis jetzt schmerzfreie und unbemerkte Vorgang wird nun für den Wirt ersichtlich... ES JUCKT... und man weiss nicht wirklich wo es juckt. Kratzen würde eh nicht helfen, das Jucken kommt von innen, da kommt man nicht ran. Zu sehen ist noch nichts.

  • 4.-5. Tag: der Schmerz kommt hinzu. Es ist nun ein Brennen, Stechen und Jucken und unglücklicherweise melden sich diese Symptome bei mir immer nachts. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Ich laufe auf und ab und verfluche den Floh und alle seine Kinder und Kindeskinder. Welchen Zweck dieser penetrante Parasit erfüllt ist mir sowieso schleierhaft (allerdings ist mir das bei der Spezies Mensch auch nicht ganz klar). Wenn man in diesem Stadium ganz genau sucht, kann man einen kleinen, schwarzen Punkt erkennen. Zu diesem Zeitpunkt entferne ich den Floh noch nicht. Die Gefahr ihn zu verletzen ist sehr gross und somit die Aussicht auf eine schlimme Infektion und schlimme Infektionen enden hier gerne in Amputation. Davon möchte ich dann doch Abstand nehmen.

  • 6.-7. Tag: ein weisser Kranz hat sich um den schwarzen Punkt gebildet. Jetzt hat meine Stunde geschlagen! An diesem weissen Kranz entlang löse ich mit einer Nadel die Haut (tut überhaupt nicht weh) und der gesamte Floh kann vollständig aus dem Zeh gezogen werden. Noch einen ordentlichen Schuss medizinischen Alkohol darauf, jammernd und quietschend im Kreis laufen bis das Brennen nachlässt, Pflaster drauf und schon ist der Floh Geschichte.  


Pro Jahre befallen mich 10-15 dieser nichtsnutzigen Nutzniesser, aber das sind mir meine geliebten Flip Flops einfach wert.



Dienstag, 2. Dezember 2014

Pierre baut einen Kamin

Es war einmal vor langer Zeit, da hat ein Schelm das Gerücht verbreitet, in Paraguay wäre es immer warm. So begab es sich, dass fortan die Häuser ohne jegliche Möglichkeit der Beheizung errichtet wurden... und jetzt haben wir den Salat. Dem stolzen Häusle Besitzer bleiben nur einige, wenige Möglichkeiten, die kalte Zeit ein wenig angenehmer zu gestalten:


  • Eine Klimaanlage mit Heizfunktion (hat den Stromverbrauch einer Kleinstadt und die Heiz-Effizienz von zwei Gebetskerzen).

  • Ein Heizstrahler (strahlt wirklich Hitze, aber nur 25 cm weit. Um das Gerät versammelt, immer noch in Mantel und Mütze, weil es von hinten immer noch kalt ist, kommt man sich vor wie in einem New Yorker Hinterhof vor einem brennenden Ölfass).

  • Ein Kohlefeuer mitten im Wohnzimmer (heizt wirklich in einem weiten Radius und die Bewohner können gleichzeitig Grillen oder Marshmallows rösten. Es verbreitet Gemütlichkeit und ist auch ein wenig romantisch. Leider stirbt man ruck zuck an einer Kohlenmonoxidvergiftung).

  • Ein Kamin (er heizt, die Überlebenschancen sind ziemlich gross und Holz liegt überall rum. Einfach genial...). "


"...und genial einfach" dachte sich der Hase und beschloss nach drei Jahren Heiz-Experimenten, unser Haus um einen Kamin zu ergänzen.

Nun ist es so, dass es keine Behörde interessiert, welche Fantasie-Konstruktionen der Individualist aus dem Boden stampft, das beinhaltet auch den Bau eines Kamins. Allerdings interessiert es genauso wenig eine Behörde, wenn eben jenes Traumhaus, aufgrund architektonischer Inkompetenz des Erbauers, vom Flügelschlag eines vorbeischwirrenden Kolibris, in sich zusammenfällt (oder halt beim unsachgemässen Einbaus eines Kamins ein Raub der Flammen wird).

Nachdem Pierre zwei Tage mit messen, zeichnen, rechnen , starren und im Lager kramen verbracht hatte, war es dann soweit. Im Wohnzimmer klaffte ein brandneues Loch im Dach und darunter entstand der "Kamin 1.0". Schon 48 Stunden später startete Pierre den ersten Versuch eines gemütlichen, knisternden Kaminfeuers und nur fünf Minuten später erinnerte mich die Situation an ein Raucherabteil der Bundesbahn in den 80ern. Hustend und in Qualm gehüllt, mussten wir geordnet und ohne Panik das Gebäude evakuieren.
Daraufhin wurde abgerissen, umgebaut, korrigiert und verlängert, bis "Kamin 4.0" endlich das gewünschte Ergebnis brachte. Ein prasselndes, wärmendes Feuer in Smog-freier Umgebung. Am Abend allerdings, zog ein seltsames Geräusch meine Aufmerksamkeit auf sich. Noch während ich darüber nachdachte, welches Nagetier dieses Knacken und Knistern verursachen könnte, hörte ich Pierre schon auf dem Dach schreien: "DACHSTUHLBRAAAAND". Bis heute korrigiert, verbessert und bastelt der Hase an seinem Kamin und ist sehr stolz, dass wir es im Winter schön warm haben.

Ich bin auch stolz auf ihn... während ich schreibe, kann ich den Kamin von meinem Platz aus bewundern. Die letzten Jahre hat er uns wirklich angenehme Tage beschert. Wir haben darin gegrillt, Brot gebacken und Marshmallows geröstet. Wenn es regnet stellen wir hübsche Schüsseln unter seinen Abzug, damit die Möbel nicht aus dem Zimmer geschwemmt werden, Pierres geniale Abdicht-Manschette läuft in dünnen, schwarzen Streifen am Abzugsrohr herunter und an schönen Tagen kann man sogar die Sonne durch das Dach funkeln sehen! Ein Kamin ist wirklich romantisch...


Montag, 1. Dezember 2014

Vier Jahre? Kann gar nicht sein...

Ich kann einfach nicht glauben, dass schon vier Jahre seit meinem letzten Eintrag vergangen sind. Das heisst, ihr seid nicht mehr auf dem Laufenden, daher hier eine kleine Zusammenfassung der Geschehnisse...

Kurz nach meinem letzten Eintrag mussten wir feststellen, dass wir uns mittlerweile wieder in einem langweiligen, arbeitsreichen, lebensfressenden Trott befanden, den wir von Deutschland kannten; Demselben, dem wir eigentlich entfliehen wollten. Wir haben kurzerhand unser Geschäft geschlossen und sind nun Geflügel-bauern. Mit mehreren Brutmaschinen züchten wir Puten, Wachteln und Hühner und leben vom Verkauf der Küken, Eier und von Auftrags-bruten. Wir werden wirklich nicht reich dabei, aber wir sind nun in der Lage die Art Leben zu geniessen, die wir uns vorgestellt hatten.

Eine weitere erfreuliche Nachricht ist, dass ich endlich meine Übergewichtsprobleme in den Griff bekommen habe und so verlor ich in den letzten Jahren über 50 kg meines Lebendgewichts. Eine unglaubliche Erleichterung! Meine Lebensqualität hat sich vervielfacht und ich habe viel mehr Zeit, seit ich nicht mehr mit Essen und Hosen-auslassen beschäftigt bin. Unsere Tiere sind nun auch viel entspannter in meiner Gegenwart, früher haben die mich manchmal so misstrauisch angesehen... und so manches Huhn und Schwein hatte auch allen Grund dazu!

Dann schaun' wir doch mal, was weiterhin passiert.... Irgendwas ist ja immer. Ausserdem habe ich da noch ein paar alte Geschichten, die ich euch noch nicht erzählt habe.