Samstag, 27. Dezember 2014

Feliz Navidad oder "Wie Paraguay Weihnachten gestohlen hat"

34°C, die Sonne brennt vom strahlend blauen Himmel und die hohe Luftfeuchtigkeit verursacht ein leicht klebriges Gefühl auf der Haut... es ist Weihnachten und ich bin in Paraguay.
Wie jedes Jahr habe ich es bis jetzt nicht geschafft auch nur einen Funken Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen und wie jedes Jahr starte ich tapfer meine CD mit den klischeehaftesten Weihnachtsliedern, die ich finden konnte. Ich beginne mit den Vorbereitungen der Festlichkeiten und während sich tellergrosse Schweissflecken unter meinen Armen bilden, trällert Bing Cosby von einer weissen Weihnacht. Nach einer Stunde mit Liedern über Schlittenfahrten, Schneemänner, kuscheligen Stunden vor dem Kamin und einem bedeutungsvollen "Ernsthaft???" von Pierre, beschliesse ich dem akustischen Albtraum ein Ende zu setzen.

Es ist kurz nach Mittag und das halbe Dorf scheint auf den Beinen zu sein. Alte, klapprige Pickups mit gestapelten Stühlen und gestapelten Familienmitgliedern auf den Ladeflächen passieren unser Grundstück. Die Menschen sind fröhlich und in Feierstimmung. Für den Ruhe und Frieden suchenden Auswanderer sind das ganz schlechte Nachrichten, denn der Paraguayer feiert laut und ausgiebig. Es sind bereits die ersten Soundchecks aus verschiedenen Richtungen zu vernehmen. Paraguayischer Kachaka, Harfen- und Akkordeon Musik mischt sich, je nach Standort des unfreiwillig Beschallten, zu einer riesen Kakophonie und ich überlege sogar kurz, ob ich Bing Cosby nicht doch noch eine Chance geben soll...

Es ist später Nachmittag und ich habe es doch noch geschafft ein wenig zu dekorieren. Eine Agave muss als Weihnachtsbaum herhalten, um einige Palmen habe ich glitzernde Girlanden gewickelt und nach einer Stunde "Entknotungsarbeit", hängt auch unsere Lichterkette am Haus. Es herrscht totale Windstille, es ist heiss wie in einem Backofen und ich habe keine Ahnung, was ich noch ausziehen soll, ohne, dass die Nachbarn erblinden. Schwitzend hoffe ich auf baldigen Sonnenuntergang und mache eine grosse Schüssel Kartoffelsalat.

Es ist früher Abend. Es ist etwas abgekühlt und die Paraguayer heizen ihre Grills an. Die Musik dröhnt aus vielen Richtungen und die Menschen tanzen, singen und ihre langgezogenen Freudenschreie hört man durch das ganze Dorf. Kaum ist das erste Grillfleisch fertig, beginnt eine gross angelegte Lebensmittelrotation. Nach und nach kommen die Nachbarn vorbei und bringen Grillfleisch, Mandioca und Sopa und holen sich dafür Kartoffelsalat, Würstchen oder was es sonst noch so bei uns gibt. Nach zwei Stunden ist der Spuk vorbei und zurück bleibt eine Menge kaltes Grillfleisch und ein kleiner Berg Sopa.... ich hasse Sopa. Die Musik dröhnt immer noch aus verschiedenen Richtungen, alle Hunde des Dorfes bellen gemeinsam, die Nachbarn zünden einen Böller nach dem Anderen und meine besinnliche Weihnacht kann ich mir in die Haare schmieren. Genervt gehe ich früh ins Bett. Unsanft aus dem Schlaf gerissen werde ich allerdings noch einmal um Mitternacht, als die Nachbarn ihr Feuerwerk starten. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir allerdings, dass dieses Feuerwerk nicht schön, sondern nur laut ist.

Am nächsten Morgen werde ich durch nur allzu bekannte Klänge geweckt... es ist 6 Uhr und die Feierlichkeiten sind immer noch in vollem Gange. Die Musik dröhnt, über Nacht ist unsere Lichterkette (ein chinesisches Qualitätsprodukt) durchgebrannt, im paraguayischen Fernsehen hüpfen pralle Latinas in Weihnachtsstrapsen herum und wie jedes Jahr muss ich einsehen, dass Weihnachten nie mehr so sein wird, wie es mal war. Pierre ist das alles völlig egal. Hauptsache, es gibt was Leckeres zu essen.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Immer wenn es regnet...

Es regnet... nein,es schüttet, donnert, blitzt und stürmt und das nun schon seit vielen Stunden. Unfassbare Wassermengen gehen nieder und hier kann es scheinbar nie einfach nur regnen, es muss immer ein ausgewachsenes Unwetter daraus werden.

Unser Grundstück hat ein Gefälle und so strömt das Wasser in zwei reissenden Bächen durch unseren Vorgarten um dann die Grundstücke und Häuser der tiefer gelegenen Nachbarn in einen grossflächigen See zu verwandeln. Der Hausbau auf einer Anhöhe ist daher eine weise Entscheidung.
Unsere Terrasse hat kein Gefälle und kurz nachdem die Drainagen mit Laub verstopft sind, erfreuen wir uns eines 80 qm Schlammbades direkt vor der Haustür. Im Haus zeigen sich neue, undichte Stellen an den Fenstern, das Wasser fliesst in kleinen Rinnsalen am Kamin herunter (siehe: Pierre baut einen Kamin) und hin und wieder schwappt eine Welle Mottwasser unter der Haustür durch. In der Küche tropft es durch die Decke, es scheinen ein paar Schindeln verrutscht zu sein und wenn das so weiter geht, erfüllt sich wohl doch noch der Traum vom Indoor-Pool mit Gegenschwimmanlage und Wasserfall. Noch vor ein paar Jahren hätten wir uns furchtbar darüber aufgeregt, jetzt finden wir das alles sogar ein bisschen amüsant. Es handelt sich hier nur um Wasser und es ist nun nicht so, als würden unsere Perserteppiche ruiniert. 

Auf dem Lande steht das Leben bei Regen quasi still. Selbst die Wenigen, die ein Auto besitzen, ersparen sich die Rutschpartien auf den nassen, seifigen Erdstrassen. In den Senken sammelt sich das Wasser und macht viele Wege für einen normalen PKW unpassierbar, auch noch lange Zeit nach dem Regen. Nur die wirklich Furchtlosen, Betrunkenen oder Bekloppten wagen sich bei einem solchen Wetter mit dem Moped auf die glitschigen Wege. Und so ergibt es sich, dass der Eine oder Andere nicht zur Arbeit erscheint, Termine nicht eingehalten werden, Kinder nicht in die Schule gehen, Lieferungen nicht eintreffen und auf Kunden wartet man vergeblich. Es gilt: Je ländlicher die Gegend, desto abenteuerlicher die Wege!

Es hat aufgehört zu regnen, die Sonne blinzelt durch die Wolken und die Vögel zwitschern wieder. Jetzt reparieren wir erst einmal das Leck in der Decke und graben uns eine Bresche über die schlammige Terrasse. Wir brauchen bestimmt zwei Tage um die Veranda zu säubern und in drei Tagen regnet es wieder... vielleicht trinken wir auch erst mal einen Kaffee.